AKTUELLE RECHTSPRECHUNG FÜR DEN BETRIEBSRAT

Einwurf-Einschreiben reicht nicht als Zugangs-Nachweis

Damit eine Kündigung wirksam wird, muss sie dem Betroffenen zugehen. Ob eine Kündigung zugegangen ist oder nicht, führt immer wieder zu Auseinandersetzungen zwischen Arbeitgebern und gekündigten Arbeitnehmern. Ein Einwurf-Einschreiben der Deutschen Post in Kombination mit einem Einlieferungsbeleg sowie einem Sendungsstatus genügt nicht als Beweis dafür, dass die Kündigung bei dem jeweiligen Empfänger angekommen ist. Das hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) kürzlich klargestellt (30.1.2025, Az. 2 AZR 68/24).

Friederike Becker-Lerchner

11.04.2025 · 3 Min Lesezeit

Arbeitnehmerin soll Kündigung erhalten

Der Fall: Der Arbeitgeber behauptete, gegenüber der Arbeitnehmerin mit Schreiben vom 14.3.2022 eine außerordentliche, fristlose Kündigung ausgesprochen zu haben. Hilfsweise habe er ordentlich zum 30.9.2022 gekündigt. Die Arbeitnehmerin bestritt jedoch den Zugang dieses Kündigungsschreibens.

Der Arbeitgeber hielt dem entgegen, dass 2 seiner Mitarbeiterinnen das Kündigungsschreiben gemeinsam in einen Briefumschlag gesteckt hätten. Danach hätten sie es gemeinsam zur Post gebracht und dort am 26.7.2022 um 15.35 Uhr als Einwurf-Einschreiben, mit Sendungsnummer versehen, persönlich aufgegeben.

Nach dem Sendungsstatus sei das Schreiben mit der entsprechenden Sendungsnummer der Klägerin am 28.7.2022 zugestellt worden.

Der Arbeitgeber stellte sich auf den Standpunkt, dass deshalb ein Anscheinsbeweis bestehe, der durch das pauschale Bestreiten der Arbeitnehmerin nicht erschüttert werde.

Info: Anscheinsbeweis – Was ein Anscheinsbeweis ist

Der Anscheinsbeweis erleichtert demjenigen, der etwas beweisen möchte, den Nachweis bestimmter Tatbestandsvoraussetzungen. Es handelt sich um eine Vermutung, die auf allgemeiner Lebenserfahrung beruht. Folge ist, dass derjenige, der sich auf den Anscheinsbeweis stützt, nicht beweisen muss, dass sich die Situation wie behauptet ereignet hat.

Arbeitnehmerin legt Feststellungsklage ein

Das wollte die Arbeitnehmerin so nicht stehen lassen. Sie beantragte deshalb, gerichtlich festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung des Arbeitgebers vom 26.7.2022 beendet worden sei. Das Arbeitsgericht wies die Klage ab, das Landesarbeitsgericht gab ihr statt. Dagegen wehrte sich der Arbeitgeber vor dem BAG; mit Erfolg.

Einlieferungsbeweis allein reicht nicht

Die Entscheidung: Das Gericht entschied, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung vom 26.7.2022 außerordentlich fristlos oder hilfsweise ordentlich beendet worden sei. Das begründeten die Richter damit, dass der Arbeitgeber den Zugang der Kündigung nicht nachgewiesen habe. Dass es an dem erforderlichen Nachweis fehlte, begründeten die Richter mit der ständigen Rechtsprechung des BAG. Danach setze der Zugang der Kündigung voraus, dass eine Kündigung in verkehrsüblicher Weise in die tatsächliche Verfügungsgewalt des Empfängers gelangt sei. Dazu gehört grundsätzlich auch der Briefkasten des Empfängers. Zudem müsse für den Empfänger unter gewöhnlichen Verhältnissen die Möglichkeit bestehen, von der Kündigung Kenntnis zu nehmen. Die Beweislast für den Zugang trage auch nach ständiger Rechtsprechung der Arbeitgeber.

Der Arbeitgeber hatte hier für den von ihm behaupteten Einwurf des Kündigungsschreibens in den Hausbriefkasten am 28.7.2022 keinen Beweis vorgelegt. Vor allem fehlte es an einem Zeugenbeweis der Person, die das Schreiben eingeworfen haben soll.

Anscheinsbeweis liegt nicht vor

Auch ein Anscheinsbeweis liegt nach Meinung der Richter nicht vor. Der von der Arbeitgeberseite vorgelegte Einlieferungsbeleg eines Einwurf-Einschreibens, aus dem neben dem Datum und der Uhrzeit der Einlieferung die jeweilige Postfiliale und die Sendungsnummer ersichtlich sind, sowie der im Internet abgefragte Sendungsstatus mit dem Hinweis, dass die Sendung zugestellt wurde, reichten dem BAG nicht für einen Beweis des ersten Anscheins hinsichtlich der Zustellung.

Die Richter waren der Meinung: Ein Einlieferungsbeleg beweise nicht den Zugang beim Empfänger. Schließlich fehlten dabei Angaben zum Überbringer der Kündigung sowie über weitere Einzelheiten der Zustellung. Das Gericht vertrat zudem die Ansicht, dass der Einlieferungsbeleg, also der Nachweis der Übergabe des Kündigungsschutzschreibens an die Deutsche Post AG, nichts über die tatsächlich erfolgte Zustellung aussagt.

Fazit: Mangelnder Nachweis der Zustellung kann Hebel sein

Ein Streit über den tatsächlichen Zugang einer Kündigung hat schon so manche Kündigung zum Kippen gebracht. Nehmen Sie die Entscheidung zum Anlass und weisen Sie Ihre Kolleginnen und Kollegen, die eine Kündigung erhalten haben, darauf hin, dass es sich unter Umständen lohnen kann, den Zugang zu bestreiten. Empfehlen Sie ihnen, den jeweiligen Einzelfall von einem Fachanwalt für Arbeitsrecht prüfen zu lassen.

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Ich publiziere seit über 20 Jahren im Bereich Arbeitsrecht. Seit 2005 unterstütze ich Betriebsräte in ganz Deutschland Monat für Monat bei ihren fachlichen Herausforderungen. Darüber hinaus bin ich als Rechtsanwältin, […]

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