AKTUELLE RECHTSPRECHUNG FÜR DEN BETRIEBSRAT

Kundin verlangte männlichen Berater – Kollegin musste deshalb entschädigt werden

Auch eine Kundin, die ohne einen entsprechenden sachlichen Grund einen männlichen Berater statt einer weiblichen Beraterin für ein Kundengespräch verlangt, diskriminiert die weibliche Beraterin wegen ihres Geschlechts. Diese Diskriminierung wiederum fällt auf den Arbeitgeber der weiblichen Beraterin zurück, wenn er dem entsprechenden Verlangen nachkommt, statt gegenzusteuern. Das lässt sich einer kürzlich veröffentlichten Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg entnehmen (20.11.2024, Az. 10 Sa 13/24).

Friederike Becker-Lerchner

04.04.2025 · 2 Min Lesezeit

Kundin wünscht sich männlichen Berater

Der Fall: Die Arbeitnehmerin arbeitete seit 1992 bei ihrem Arbeitgeber, einem Unternehmen, das Bauleistungen anbot. Zunächst war sie als Architektin beschäftigt. Später wechselte sie in den Vertrieb, dort kam es zu einer Auseinandersetzung. Eine potenzielle Kundin kontaktierte den Arbeitgeber als Bauinteressentin für ein Bauvorhaben. Sie wendete sich telefonisch direkt an den Regionalleiter. Diesem teilte sie in dem entsprechenden Gespräch mit, dass sie keine weibliche Betreuerin wünsche. Der Vorgesetzte der Architektin übernahm daraufhin die Betreuung der Kundin.

Das missfiel der Arbeitnehmerin. Sie beschwerte sich. Das änderte allerdings nichts. Der Arbeitnehmerin ging dadurch eine mögliche hohe Provision verloren. Sie wandte sich deshalb daraufhin sowohl an den Regionalleiter als auch an die AGG-Beschwerdestelle. Dort machte sie eine Diskriminierung wegen des Geschlechts geltend. Dabei berief sie sich vor allem auf eine Benachteiligung nach § 12 Abs. 4 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Sie stellte dar, dass der Arbeitgeber es versäumt habe, nachdem die Bauinteressentin ihren Wunsch geäußert hatte, alle geeigneten, erforderlichen und angemessenen Maßnahmen zu ergreifen, um der Benachteiligung entgegenzuwirken.

Gericht hält Diskriminierung für gegeben

Die Entscheidung: Das Gericht stellte zunächst klar, dass der Anspruch auf Entschädigung einen Verstoß gegen das in § 7 Abs. 1 AGG geregelte Benachteiligungsverbot voraussetze. Die Bauherrin hier im Fall wollte nicht von einer weiblichen Kundenbetreuerin betreut werden. Sie bevorzugte einen männlichen Kollegen. Das war eine geschlechtsbezogene Diskriminierung. Die Diskriminierung fiel nicht in den Wirkungsbereich des Arbeitgebers. Allerdings habe dieser seine Mitarbeiterin selbst unmittelbar benachteiligt, indem er der Arbeitnehmerin die Kundin, die ihr zugeordnet war, und die damit verbundene Aufgabe entzog. Der Arbeitgeber habe mehrere Möglichkeiten gehabt, die Mitarbeiterin zu schützen und seinen Verpflichtungen nach § 12 Abs. 4 AGG nachzukommen.

Lediglich wenn die geeigneten, erforderlichen und angemessenen Maßnahmen zum Schutz gegen eine Benachteiligung durch Dritte nach § 7 Abs. 1 AGG nicht fruchten, hätte man eine eigene benachteiligende Vorgehensweise des Arbeitgebers ausschließen können. An entsprechenden Maßnahmen fehle es jedoch hier.

Gericht verlangt vom Arbeitgeber Versuch gütlicher Lösung

Das Gericht stellte in seiner Entscheidung zudem klar, dass der Arbeitgeber zumindest eine gütliche Lösung hätte anstreben müssen. Er wäre verpflichtet gewesen, der Kundin die Kompetenz der weiblichen Beraterin vorzustellen. Einfach den männlichen Kollegen zuzuweisen, wie die Kundin das gewünscht hatte, sei gerade keine Maßnahme i. S. d. § 12 Abs. 4 AGG.

Schließlich wurde der weiblichen Arbeitnehmerin so von vornherein die Möglichkeit genommen, ihr Können gegenüber der Bauherrin unter Beweis zu stellen. Die Arbeitnehmerin erhielt deshalb eine Entschädigung.

Fazit: Ihr Arbeitgeber muss Sie und Ihre Kolleginnen und Kollegen schützen

In dem Rechtsstreit ging es um die Frage, ob der Arbeitgeber verpflichtet ist, an seine Mitarbeiterin eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG wegen einer Benachteiligung wegen des Geschlechts zu zahlen. Die klare Antwort hier lautet „Ja“. Denn auch wenn Sie oder Ihre Kolleginnen und Kollegen durch Dritte, also Kunden oder Lieferanten bzw. andere Dienstleister, diskriminiert werden, muss Ihr Arbeitgeber handeln, um die betroffenen Mitarbeitenden zu schützen. Tut er das nicht, riskiert er einen Schadenersatzanspruch des bzw. der Betroffenen gegen ihn.

§ 7 Abs. 1 AGG: Benachteiligungsverbot

Beschäftigte dürfen nicht wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt werden; dies gilt auch, wenn die Person, die die Benachteiligung begeht, das Vorliegen eines in § 1 genannten Grundes bei der Benachteiligung annimmt.

ADIUVA Impuls

Benachteiligungen führen auch immer wieder zu Auseinandersetzungen zwischen Arbeitgebern und Betriebsräten. Haben Sie weitere Fragen zu diesem Thema? Dann schreiben Sie mir gern eine E-Mail an:
becker@adiuva.de

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Ich publiziere seit über 20 Jahren im Bereich Arbeitsrecht. Seit 2005 unterstütze ich Betriebsräte in ganz Deutschland Monat für Monat bei ihren fachlichen Herausforderungen. Darüber hinaus bin ich als Rechtsanwältin, […]

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