AKTUELLE RECHTSPRECHUNG FÜR DEN BETRIEBSRAT

Pauschale Verschwiegenheitsklausel schützt Arbeitgeber nicht immer

Vor gut 6 Jahren trat das Geschäftsgeheimnisgesetz (GeschGehG) in Kraft. Man könnte deshalb meinen, dass inzwischen klar geregelt ist, inwieweit Arbeitgeber ihre Beschäftigten zur Verschwiegenheit verpflichten können. Das ist allerdings nicht der Fall. Noch immer ist nicht ganz klar, unter welchen Voraussetzungen Ihr Arbeitgeber Ihnen und Ihren Kolleginnen und Kollegen untersagen darf, Geschäftsgeheimnisse weiterzugeben. Klar ist allerdings seit einer kürzlich veröffentlichten Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts, dass Ihr Arbeitgeber im Zweifel ein umfassendes und konkretes Schutzkonzept benötigt (17.10.2024, Az. 8 AZR 172/23).

Friederike Becker-Lerchner

04.04.2025 · 2 Min Lesezeit

Arbeitgeber versucht Unterlassung durchzusetzen

Der Fall: Ein Arbeitnehmer war seit fast 30 Jahren maßgeblich an der Weiterentwicklung der Produkte seines Arbeitgebers beschäftigt. Anfang des Jahres 2017 wechselte er zu einem Hauptkunden seines Arbeitgebers. Mehr als 1,5 Jahre später, im Oktober 2018, erfuhr der frühere Arbeitgeber, dass sein ehemaliger Mitarbeiter im September und Dezember 2015 unter einem Pseudonym verschiedene E-Mails mit technischen Produktdaten an ein Konkurrenzunternehmen verschickt hatte.

Darüber ärgerte sich der Arbeitgeber. Er versuchte deshalb vor Gericht eine Unterlassungsanordnung zu erwirken. Sein Ziel war es, dem Beschäftigten gerichtlich unter Androhung von bis zu 250.000 € Ordnungsgeld bzw. 2 Jahren Ordnungshaft zu untersagen, Geschäftsgeheimnisse weiterzugeben.

Arbeitgeber beruft sich auf GeschGehG

Sein Verlangen begründete er mit dem GeschGehG. Konkret berief er sich auf das am 26.4.2019 in Kraft getretene GeschGehG und eine Klausel im Arbeitsvertrag des Arbeitnehmers, nach der dieser verpflichtet war, über sämtliche Angelegenheiten des Arbeitgebers Stillschweigen zu bewahren. Diese Verpflichtung gelte über das Ende des Arbeitsverhältnisses hinaus.

GeschGehG gilt auch für frühere Fälle

Die Entscheidung: Das Gericht entschied, dass Arbeitgeber ein gerichtliches Verbot der Weitergabe von Geschäftsgeheimnissen seit dem 26.4.2019 nur noch auf Grundlage des GeschGehG erwirken können. Das GeschGehG sei danach auch für Altfälle relevant, in denen ein Arbeitgeber seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Weitergabe von Geschäftsgeheimnissen untersagen möchte, die sich vor dem 26.4.2019 ereignet haben.

Die Richter stellten allerdings auch klar, dass eine entsprechende Unterlassungsanordnung voraussetzt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung hierüber die weiteren Voraussetzungen nach §§ 2 und 6 GeschGehG erfüllt sind. Nach § 2 GeschGehG muss es also um ein Geheimnis gehen, das für Ihren Arbeitgeber wirtschaftlichen Wert hat, der dazu führt, dass das Interesse Ihres Arbeitgebers an der Geheimhaltung berechtigt ist. Zudem muss Ihr Arbeitgeber angemessene Maßnahmen zum Schutz des Geheimnisses installiert haben. Lediglich wenn ein Kollege oder eine Kollegin ein solches Geheimnis verletzt, kann Ihr Arbeitgeber nach § 6 GeschGehG eine gerichtliche Unterlassungsanordnung erwirken.

Hier gingen die Richter allerdings davon aus, dass es an einem ausreichenden Schutzkonzept fehle. Denn der Arbeitgeber hatte lediglich pauschal behauptet, technische Sicherheitsmaßnahmen und eine angemessene IT-Sicherheit etabliert zu haben. Das reiche allerdings nicht, um einen Geheimnisschutz für die Zukunft sicherzustellen, entschieden die Richter.

Fazit: Arbeitgeber kann Unterlassungsanordnung nicht durchsetzen

Der Schutz von Geheimnissen reicht nicht so weit, wie es manchem Arbeitgeber vorschwebt, vor allem nicht, wenn er sich nicht bei Abschluss des Arbeitsvertrags durch umfassende konkrete Regeln mit einem Schutzkonzept vertraglich absichert. Sollten Kollegen in eine Auseinandersetzung über einen eventuellen Geheimnisverrat mit Ihrem Arbeitgeber geraten, lohnt sich sicherlich die juristische Prüfung, inwieweit sie sich überhaupt zur Unterlassung verpflichten müssen. Grundsätzlich sollten Sie Ihren Kolleginnen und Kollegen allerdings raten, Geschäftsgeheimnisse unbedingt für sich zu behalten.

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