AKTUELLE RECHTSPRECHUNG FÜR DEN BETRIEBSRAT

Sind die Regelungen des Zivilprozessrechts bestimmt genug?

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachsen hat dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg eine Frage zur Auslegung der DSGVO bei deren Anwendung auf die Tätigkeit der Gerichte vorgelegt (LAG Niedersachsen, 8.5.2024, Az. 8 Sa 688/23).

Friederike Becker-Lerchner

01.04.2025 · 2 Min Lesezeit

Arbeitgeberin verlangt Schadenersatz von Arbeitnehmerin

In einem vor dem LAG Niedersachsen anhängigen Fall verlangte eine Arbeitgeberin von einer ausgeschiedenen Arbeitnehmerin Schadenersatz in Höhe von ca. 46.000 €. Das begründete sie damit, dass die ehemalige Beschäftigte unbefugt Gegenstände, die im Eigentum der Firma standen, an Dritte verkauft habe. Zudem soll sie sich am Erlös bereichert haben. Das will die Arbeitgeberin erfahren haben, als sie ohne das Wissen und den Willen der Arbeitnehmerin in deren privates eBay-Konto Einsicht genommen hat. Darüber, wie die Arbeitgeberin an das Passwort bzw. die Benutzerdaten der früheren Beschäftigten gekommen ist, streiten die Arbeitgeberin und die Arbeitnehmerin.

Gericht schaltet EuGH ein

Das LAG Niedersachsen war sich nicht sicher, inwieweit die Regelungen zur DSGVO hier eine Rolle spielen. Es hat deshalb ein Vorabentscheidungsverfahren beim EuGH anhängig gemacht (Art. 267 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV)). Mit der Vorlagefrage wollte der Gerichtshof konkret wissen, ob die Regelungen des deutschen Zivilprozessrechts bestimmt genug sind, also die erforderliche Regelungstiefe aufweisen, um den Anforderungen der DSGVO zu genügen. Darüber hinaus hat das deutsche Gericht den EuGH gefragt, welche der Regelungen der DSGVO auf gerichtliche Datenverarbeitungstätigkeit Anwendung finden und welche Rechtsgrundsätze hierbei von den Gerichten zu beachten sind.

Was das LAG Niedersachsen weiß

Klar ist dem deutschen Gericht, dass Gerichte die DSGVO zu beachten haben, wenn sie bei ihrer justiziellen Tätigkeit personenbezogene Daten verarbeiten. Es will aber wissen, welche der Regelungen der DSGVO auf die gerichtliche Datenverarbeitung anwendbar sind und welche Rechtsgrundsätze von den Gerichten zu beachten sind. Die Beantwortung der Frage sei entscheidend, wenn ein Gericht wie hier zu beurteilen habe, ob und unter welchen Voraussetzungen möglicherweise rechtswidrig erlangte Kenntnisse und Beweismittel, die eine Partei in die gerichtliche Auseinandersetzung eingeführt hat, verwertet werden können.

Wie der EuGH die Angelegenheit beurteilt, bleibt abzuwarten. In seinen Entscheidungen vom 24.3.2022 (Rs. C-245/20) und vom 2.3.2023 (Rs. C-268/21) hat er bereits deutlich gemacht, dass auch justizielle Tätigkeit, soweit dabei Daten verarbeitet werden, in den Geltungsbereich der DSGVO fallen.

Antworten auf die Frage können auch in anderen Fällen interessant sein

Die Beantwortung der Fragen durch den Gerichtshof kann auch im Hinblick auf andere Fälle hilfreich sein, in denen die nationalen Gerichte zu beurteilen haben, ob und unter welchen Voraussetzungen möglicherweise rechtswidrig erlangte Kenntnisse und Beweismittel durch die Partei in den Rechtsstreit eingeführt und von ihr verwertet werden können.

§ Art. 267 AEUV: Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union

Der Gerichtshof der Europäischen Union entscheidet im Wege der Vorabentscheidung

a. über die Auslegung der Verträge,

b. über die Gültigkeit und die Auslegung der Handlungen der Organe, Einrichtungen oder sonstigen Stellen der Union.

Wird eine derartige Frage einem Gericht eines Mitgliedstaats gestellt und hält dieses Gericht eine Entscheidung darüber zum Erlass seines Urteils für erforderlich, so kann es diese Frage dem Gerichtshof zur Entscheidung vorlegen.

Wird eine derartige Frage in einem schwebenden Verfahren bei einem einzelstaatlichen Gericht gestellt, dessen Entscheidungen selbst nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können, so ist dieses Gericht zur Anrufung des Gerichtshofs verpflichtet.

Wird eine derartige Frage in einem schwebenden Verfahren, das eine inhaftierte Person betrifft, bei einem einzelstaatlichen Gericht gestellt, so entscheidet der Gerichtshof innerhalb kürzester Zeit.

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