Was ist eine nicht erhebliche Verhinderungsdauer?
Die Verhinderungsdauer des Arbeitnehmers darf nur eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit betragen. Was ist nicht erheblich? Schon hier scheiden sich die Geister. Folgende Faktoren können Sie hier berücksichtigen:
- Verhältnis der Zeit der Arbeitsverhinderung zur Gesamtdauer des Arbeitsverhältnisses (Für 10-jährige Dienstzugehörigkeit kann es 2 Tage jubiläumsfrei geben, für die 5-jährige einen.)
- die Länge der Kündigungsfrist
- die für die Arbeitsverhinderung objektiv notwendige Zeit. Ein runder Geburtstag muss nur einen Tag gefeiert werden, nicht eine Woche
Sollte die Verhinderungsdauer die im konkreten Fall angemessene Zeit überschreiten, liegt kein Anspruch auf Freistellung nach § 616 BGB vor.
Meist wird die Freistellung 1 bis 2 Tage betragen. Es kommt wirklich immer auf den Einzelfall an. Den Anlass, die Umstände, die Dauer der Behebung der Umstände … so kann es gerechtfertigt sein, bei der eigenen Hochzeit einen Tag freizustellen, bei Erkrankung des Kindes vielleicht 3 Tage. Meist wird man ja nicht vom einen auf den anderen Tag gesund.
Sie können sich an den folgenden Freistellungszeiten orientieren:
- bei eigener Eheschließung 2 Tage
- bei Niederkunft der Ehefrau 2 Tage
- bei Eheschließung der Kinder 1 Tag
- bei Tod des Ehegatten 1–3 Tage
- bei Tod der Eltern, Schwiegereltern oder Kinder 1–3 Tage
- bei Tod von Geschwistern, Großeltern 1–2 Tage
- bei Umzug mit eigenem Hausstand 1–2 Tage
Aber wie gesagt, dies ist nur eine Orientierung. Im Gesetz selbst gibt es keine Angaben zur Freistellung.
Arbeitnehmer darf Arbeitsverhinderung nicht verursacht haben
Den Arbeitnehmer darf in Bezug auf den Verhinderungsgrund kein Verschulden treffen. Ein Verschulden des Arbeitnehmers liegt nur bei einem groben Verstoß gegen das von einem verständigen Menschen im eigenen Interesse zu erwartende Verhalten vor. Es muss schlicht unbillig sein, dieses auf den Dienstherrn abzuwälzen. Die Darlegungs- und Beweislast trägt der Dienstherr. Die Rechtsprechung hat hier Klarheit gebracht. Anerkannte Fälle des § 616 BGB sind:
- eigene Hochzeit, sowie die Hochzeit der Kinder
- Goldene Hochzeit der Eltern
- Niederkunft der Ehefrau bzw. Lebenspartnerin (strittig: bei Niederkunft der nicht verheirateten Lebensgefährtin)
- Todesfälle im engsten Familienkreis
- ggf. Umzug des Mitarbeiters, allerdings nur unter ganz besonderen Umständen, z. B. wenn der Umzug dienstlich veranlasst ist oder es dem Mitarbeiter in keiner Weise möglich bzw. zumutbar ist, den Umzug in seiner Freizeit durchzuführen
- Andere familiäre Ereignisse, wie z. B. Geburtstage, Hochzeiten, Taufe, Beerdigungen oder sonstige religiöse Feste können die Voraussetzungen des Freistellungsanspruchs erfüllen, sofern es für den Arbeitnehmer unverzichtbar ist, anwesend zu sein. Hier müssen die Umstände des konkreten Einzelfalles abgewogen werden. Ihre Kollegen sollten vortragen, warum es notwendig ist, dass sie am Ereignis teilnehmen (z. B. Oma wird 90, weitere gemeinsame Feiern sind ungewiss).
- öffentliches Ehrenamt ausüben, z. B. Tätigkeit als Schöffe bei Gericht
- Wahrnehmung öffentlicher Pflichten, z. B. öffentliche Pflicht, einer gerichtlichen (insbesondere Ladung als Zeuge) oder behördlichen Vorladung nachzukommen. Hierunter fällt auch die Einteilung als Wahlhelfer.
§ 616 BGB kann ausgeschlossen werden
§ 616 BGB ist nicht in Stein gemeißelt. Dienstherren dürfen diesen im Arbeitsvertrag ganz ausschließen. Ebenso dürfen sie § 616 BGB einschränken oder auf einige Fälle beschränken. In Tarifverträgen können solche Einschränkungen oder Konkretisierungen auch vorgenommen werden. Dies wurde im Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) in § 29 gemacht. Hier ist z. B. geregelt, dass Beschäftigte zur Pflege eines erkrankten Kindes bis zu 4 Arbeitstage im Kalenderjahr bezahlt freigestellt werden können. Beachten Sie bei der Freistellung zur Pflege erkrankter Kinder/Angehöriger nach § 29 Abs. 1 Satz 2e TVöD auf jeden Fall auch § 29 Abs. 1 Satz 3 TVöD. Denn Satz 2 normiert verschiedene Pflegetatbestände und gibt hier einen Freistellungsanspruch von bis zu 4 Tagen im Kalenderjahr. Satz 3 wiederum schreibt, dass hier insgesamt ein Freistellungsanspruch von 5 Tagen im Kalenderjahr nicht überschritten werden soll (Bundesarbeitsgericht, 5.8.2014, Az. 9 AZR 878/12). Sie können über Satz 3 im Einzelfall also einen Tag mehr erhalten, als es auf den ersten Blick scheint – nämlich 5 statt 4. Genaues Hinsehen lohnt sich also immer – besonders aber, wenn es um rechtliche Ansprüche geht!
Sind die Freistellungstage des TVöD ausgereizt, können Sie sich unbezahlt freistellen lassen oder aber Urlaub nehmen. Die häufigsten Freistellungsfälle sind sicher die zur Pflege erkrankter Kinder. Neben dem TVöD sollten Sie hier unbedingt auch an § 45 Sozialgesetzbuch (SGB) V denken, der für gesetzlich krankenversicherte Eltern das sogenannte Kinderkrankengeld regelt. Die Eltern werden freigestellt. Es zahlt dann die Krankenkasse das Kinderkrankengeld. Den Eltern wird die Pflege ihrer Kinder so etwas erleichtert.
Sprechen Sie mit Ihrem Dienstherrn
Sie müssen Ihrem Dienstherrn Ihre Arbeitsverhinderung rechtzeitig anzeigen, das heißt unverzüglich ab eigener Kenntnis. Kommen Sie dem nicht nach, führt dies zwar nicht zum Verlust des Zahlungsanspruchs, wie bei der Entgeltfortzahlung, Sie verletzen damit jedoch Ihre arbeitsrechtliche Nebenpflicht. Das kann zur Abmahnung und im Wiederholungsfall auch zur Kündigung führen. Das muss ja nicht sein! Außerdem gehört es zum guten Tun, Bescheid zu geben. Privat möchte man ja auch wissen, wenn sich eine Verabredung zerschlägt oder jemand zu spät kommt.
Kennen Sie die Freistellung zur Stellensuche?
Endet ein Arbeitsverhältnis oder wird es gekündigt, muss sich der Beschäftigte bewerben, um eine neue Anstellung zu finden. Hierzu muss der Dienstgeber den Beschäftigten auch bezahlt freistellen. So sieht es § 629 BGB vor. Es besteht auch ein Freistellungsanspruch der Beschäftigten, um sich bei der Agentur für Arbeit arbeitssuchend zu melden bzw. persönlich vorzusprechen, § 38 SGB III in Verbindung mit § 2 Abs. 2 Nr. 3 SGB III.