PRAXISWISSEN FÜR DEN BETRIEBSRAT

Was unter die Meinungsfreiheit fällt und wo Ihr Arbeitgeber eingreifen muss

Beleidigungen gegenüber Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern und auch gegenüber Kolleginnen und Kollegen haben in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Das liegt sicherlich u. a. daran, dass es relativ einfach ist, sich in einem sozialen Netzwerk negativ über andere Personen auszulassen. Das rechtfertigt ein solches Verhalten allerdings nicht. Denn die Meinungsfreiheit hat Grenzen. Hetze, Beleidigung und Diffamierung deckt sie nicht.

Friederike Becker-Lerchner

01.04.2025 · 1 Min Lesezeit

Was man unter einer Beleidigung versteht

Als Beleidigung ist jede Äußerung und jedes Verhalten zu bewerten, das die Ehre eines anderen angreifen oder verletzen kann. So wird es von den Arbeitsgerichten gesehen. Entscheidend ist dabei die Sicht eines objektiven Dritten. Es kommt darauf an, wie er die jeweilige Äußerung oder das Verhalten bewertet hätte. Beleidigungen sind dabei nicht nur nach § 185 Strafgesetzbuch strafbar. Ihr Arbeitgeber kann Kolleginnen und Kollegen, die andere im Arbeitsverhältnis beleidigen, abhängig von der Schwere des Falles vielmehr abmahnen sowie eine verhaltensbedingte ordentliche oder außerordentliche fristlose Kündigung aussprechen.

Ihr Arbeitgeber hat eine Interessenabwägung vorzunehmen

Eine außerordentliche Kündigung ist nur möglich, wenn es sich um eine grobe, erheblich ehrverletzende Beleidigung handelt und Ihr Arbeitgeber eine Interessenabwägung durchführt und danach feststeht, dass Ihrem Arbeitgeber eine Fortsetzung des Beschäftigungsverhältnisses auch bis zum Ablauf der regulären Kündigungsfrist nicht zuzumuten ist.

So unterscheiden Sie zwischen zulässiger Kritik und Beleidigung

Nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz hat jeder Bürger das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten. Insoweit ist es wichtig, den folgenden Grundsatz zu kennen: Das Recht auf freie Meinungsäußerung endet spätestens da, wo andere Menschen, wie Ihre Kolleginnen und Kollegen oder auch Ihr Arbeitgeber, beleidigt werden. Es ist an Ihrem Arbeitgeber, festzustellen, ob die Grenze zwischen kritischer Meinungsäußerung und Beleidigung überschritten wurde. Kritik darf an allen betrieblichen Angelegenheiten geübt werden.

Als Betriebsrat dürfen Sie zudem sogar in einem offenen Brief, den Sie im Betrieb verbreiten, kritisieren (Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, 24.1.2017, Az. 3 Sa 244/16). Voraussetzung ist dabei, dass durch die Beleidigung die betrieblichen Interessen beeinträchtigt werden.

Selbst eine grobe Beleidigung führt nicht unbedingt zur Kündigung

Behalten Sie bei allem Ärger über Beleidigungen im Blick, dass Ihr Arbeitgeber selbst dann, wenn jemand einen anderen grob beleidigt hat, daraus nicht immer automatisch ein Recht zur außerordentlichen Kündigung herleiten kann. Hat ein Kollege oder eine Kollegin jemanden beleidigt oder aber sogar Ihren Arbeitgeber, sollten Sie die Umstände sorgfältig abwägen, um sich einen Überblick über die Situation zu verschaffen.


Arbeitshilfen

  • Überblick: Fragen zur Aufklärung und Einordnung einer Beleidigung

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Ich publiziere seit über 20 Jahren im Bereich Arbeitsrecht. Seit 2005 unterstütze ich Betriebsräte in ganz Deutschland Monat für Monat bei ihren fachlichen Herausforderungen. Darüber hinaus bin ich als Rechtsanwältin, […]

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