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Wie Sie mitbestimmen und am besten im Sinne Ihrer Kollegen Einfluss nehmen können

Noch immer leisten viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer regelmäßig Überstunden. Nach neuesten Erkenntnissen arbeiten Beschäftigte auch immer wieder über die gesetzliche Höchstarbeitszeit hinaus. Das kommt gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten häufiger vor, wenn Arbeitgeber als Einsparmaßnahme viel Personal abbauen. Gesund ist das zumindest auf längere Sicht nicht. Auf Dauer riskieren die betroffenen Kolleginnen und Kollegen gesundheitliche und unter Umständen auch Leistungseinschränkungen. Haben Sie als Betriebsrat etwaige Überstunden in Ihrem Betrieb im Blick und nehmen Sie Einfluss. Wie? Das habe ich Ihnen im folgenden Beitrag zusammengestellt.

Friederike Becker-Lerchner

11.04.2025 · 5 Min Lesezeit

So ist die Lage

Arbeitgeber möchten ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter möglichst flexibel, also im Zweifelsfall auch kurzfristig über die reguläre Arbeitszeit hinaus einsetzen können. Parallel dazu kommt es einigen Kolleginnen und Kollegen gelegen, ihr Gehalt durch ein paar Überstunden aufzubessern. Jedoch: Für Überstunden gelten Regeln, die eingehalten werden müssen. So sind sie anzuordnen, damit ein Anspruch auf Bezahlung entsteht. Allerdings fehlen in vielen Betrieben Regelungen dazu, wer Überstunden anordnen darf und wie diese zu vergüten sind. Das führt spätestens in dem Moment, in dem ein Arbeitgeber einen finanziellen Ausgleich für geleistete Überstunden fordert, zu Auseinandersetzungen.

So ermitteln Sie die Ansprüche richtig

  1. Wann Ihr Arbeitgeber Sie bzw. Kolleginnen oder Kollegen zu vergüten hat und in welcher Höhe, sollten Sie anhand der richtigen Anspruchsgrundlage ermitteln. Daraus müsste im Zweifel auch hervorgehen, ob Ihr Arbeitgeber für geleistete Überstunden u. U. einen Freizeitausgleich zu gewähren hat. Ansprüche auf eine Vergütung oder einen Freizeitausgleich können sich aus dem Arbeitsvertrag, einer anwendbaren Betriebsvereinbarung, einem einschlägigen Tarifvertrag, dem Gleichbehandlungsgrundsatz oder einer betrieblichen Übung ergeben.

Sollte ein Kollege mit der Beschwerde, nicht oder nicht ausreichend hoch für Überstunden vergütet zu werden, auf Sie zukommen, empfehlen Sie ihm, zunächst in seinem Arbeitsvertrag nach einer Regelung zu Überstunden zu suchen. Verweist der Arbeitsvertrag auf einen Tarifvertrag, sollte er diesen schnellstmöglich prüfen.

Existiert eine Betriebsvereinbarung zum Thema Überstunden, sollten Sie als Betriebsrat Ihren Kollegen ausführlich über die Inhalte aufklären. Gleiches gilt, wenn durch eine jahrelange Handhabung eine betriebliche Übung entstanden sein sollte.

Sollte Ihr Kollege nach eingehender Prüfung mithilfe Ihrer Unterstützung nicht zu einem zufriedenstellenden Ergebnis kommen, sollte er sich zunächst an den folgenden 3 grundsätzlichen Regeln orientieren:

  • 1. Regel: Grundsätzlich muss keiner Ihrer Kollegen Überstunden leisten – auch Ihre Kollegen in Teilzeit nicht. Der Grundsatz gilt allerdings ausnahmsweise nicht, wenn Ihr Arbeitgeber aufgrund eines plötzlich eingetretenen Notfalls Überstunden anordnet oder ein Kollege sich vertraglich zur Leistung von Überstunden verpflichtet hat; z. B. im Arbeitsvertrag oder in einer sonstigen Einzelvereinbarung.
  • 2. Regel: Überstunden sind grundsätzlich anzuordnen und zu bezahlen. Kein Arbeitnehmer muss unentgeltlich für seinen Arbeitgeber tätig werden.
  • 3. Regel: Einen Freizeitausgleich kann Ihr Arbeitgeber nicht ohne Weiteres anordnen. Damit Ihr Arbeitgeber einen solchen durchsetzen kann, müssen die betroffenen Kollegen zustimmen.

Bei Überstunden bestimmen Sie als Betriebsrat mit

Nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) können Sie verlangen, bei der Entscheidung über die vorübergehende Verlängerung der Arbeitszeit, also über die Anordnung von Überstunden, beteiligt zu werden.

An dieser Stelle möchte ich kurz auf die Unterscheidung von Überstunden und Mehrarbeit eingehen. Die beiden Begriffe werden häufig als Synonyme verwendet. Sie unterscheiden sich jedoch.

Unter Überstunden wird das Überschreiten der individuellen regelmäßigen Arbeitszeit verstanden. Mehrarbeit bezeichnet hingegen den Fall, dass die gesetzliche Arbeitszeit nach dem Arbeitszeitgesetz (ArbZG) überschritten wird.

Ihr Mitbestimmungsrecht besteht nur, wenn die Arbeitszeit aus betrieblichen Gründen verlängert werden soll. Maßgeblich ist, dass die auftretenden Fragen die kollektiven Interessen der Arbeitnehmer betreffen.

Hier bestimmen Sie mit

Ihr Mitbestimmungsrecht erstreckt sich auf folgende Fragen:

  • Sollen überhaupt Überstunden geleistet werden?
  • Wann sollen Überstunden geleistet werden?
  • In welchem Umfang sollen Überstunden erbracht werden?
  • Welche Kollegen sollen Überstunden leisten?
  • Wie werden die Überstunden vergütet?

Ihr Mitbestimmungsrecht bezieht sich auf alle im Zusammenhang mit den Überstunden anfallenden Fragen. Ihr Mitbestimmungsrecht kann sich dabei auf alle Mitarbeiter des Betriebs, mit Ausnahme der leitenden Angestellten, auf Mitarbeitergruppen, Betriebsteile, Abteilungen oder einzelne Kollegen beziehen.

Sogar Freiwillige sind erfasst

Ihr Mitbestimmungsrecht besteht auch, wenn ein Kollege die Überstunden freiwillig leistet. Sogar von Ihrem Arbeitgeber nicht ausdrücklich angeordnete, sondern lediglich geduldete Überstunden unterliegen Ihrer Mitbestimmung.

Wann Sie ein Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG haben

In den folgenden Fällen haben Sie ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG:

  • bei der Einführung von Bereitschaftsdiensten oder Rufbereitschaft außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit.
  • bei Sonderschichten und Arbeitsausfällen an einzelnen Tagen.
  • bei einer Mitarbeiterversammlung außerhalb der üblichen Arbeitszeit, wenn Ihr Arbeitgeber die Teilnahme anordnet bzw. die Mitarbeiter anderweitig verpflichtet sind.

Eingeschränktes Mitbestimmungsrecht

In Fällen höherer Gewalt ist Ihr Mitbestimmungsrecht eingeschränkt. In diesen Fällen hat Ihr Arbeitgeber das Recht, ohne das Vorliegen Ihrer Zustimmung Anordnungen und Maßnahmen, die Überstunden beinhalten, einzuleiten. Dabei muss es sich um eine unvorhergesehene und schwerwiegende Situation oder um einen Notfall handeln. Sie dürfen für Ihren Arbeitgeber entweder nicht erreichbar sein oder nicht zur rechtzeitigen Beschlussfassung in der Lage sein. Ihr Arbeitgeber muss also zum sofortigen Handeln gezwungen sein.

Mein Tipp: Auch im Notfall reden Sie mit

Auch in Notfällen entfällt Ihr Mitbestimmungsrecht allerdings nicht vollständig. Ihr Arbeitgeber ist vielmehr verpflichtet, Ihre Beteiligung unverzüglich, also schnellstmöglich, nachzuholen.

Höchstarbeitszeit von 10 Stunden pro Tag

Sie sowie Ihre Kolleginnen und Kollegen dürfen durchschnittlich bis zu 8 Stunden pro Werktag arbeiten (§ 3 ArbZG). Die offiziellen Werktage sind dabei Montag bis Samstag. Das heißt, dass ein Arbeitnehmer 6 x 8 = 48 Stunden pro Woche arbeiten darf. Die tägliche Arbeitszeit kann grundsätzlich auf bis zu 10 Stunden verlängert werden. Der betreffende Kollege muss dann an anderen Tagen weniger arbeiten. Denn der Durchschnitt pro Tag darf höchstens 8 Stunden betragen. Der entsprechende Ausgleich muss innerhalb von 6 Monaten oder 24 Wochen erreicht werden.

Noch gilt diese Regelung zur Höchstarbeitszeit. Allerdings ist in der Politik im Gespräch, eine Höchstwochenarbeitszeit festzulegen. Das ist nach den Regeln der EU möglich. Für Ihre Kolleginnen und Kollegen wäre dies allerdings unter Umständen eine schlechte Lösung. Schließlich bestünde die Gefahr von noch mehr geballten Überstunden. Bis dato ist insoweit noch nicht entschieden. Es bleibt abzuwarten, wie die neue Regierung damit umgehen wird.

Fazit: Setzen Sie sich für einen überlegten Umgang mit Überstunden ein

Im Sinne der langfristigen Gesunderhaltung Ihrer Kollegen sollten Sie sich bei Ihrem Arbeitgeber dafür einsetzen, dass Überstunden wirklich nur im Ausnahmefall dort, wo es unumgänglich ist, angeordnet werden. Prüfen Sie zudem bei jeder Anhörung zu einer betriebsbedingten Kündigung, ob der Wegfall der jeweiligen Arbeitskraft Überstunden anderer Kollegen nach sich zieht. Diskutieren Sie etwaige Befürchtungen und den Umgang mit der jeweiligen Situation mit Ihrem Arbeitgeber.

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Ich publiziere seit über 20 Jahren im Bereich Arbeitsrecht. Seit 2005 unterstütze ich Betriebsräte in ganz Deutschland Monat für Monat bei ihren fachlichen Herausforderungen. Darüber hinaus bin ich als Rechtsanwältin, […]

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