URTEIL

Zustimmung des Integrationsamts muss ohne Verzögerung eingeholt werden

Das Verwaltungsgericht (VG) Gelsenkirchen hat klargestellt, dass Ermittlungen zur Sachverhaltsaufklärung die Frist für den Antrag auf Zustimmung des Integrationsamts zu einer außerordentlichen Kündigung hemmen (22.1.2025, Az. 11 K 2880/20). Ein wichtiges Urteil, das Sie in Fällen der Kündigung eines schwerbehinderten Menschen kennen sollten.

Maria Markatou

24.03.2025 · 3 Min Lesezeit

Info: Grundsätzliches zur 2-Wochen-Frist

Eine fristlose Kündigung muss Ihr Dienstherr nach § 626 Abs. 2 BGB binnen 2 Wochen aussprechen. Bevor Ihr Dienstherr aber einem schwerbehinderten Arbeitnehmer kündigen kann, benötigt er neben der Anhörung von Ihnen als Personalrat sowie der Schwerbehindertenvertretung die Zustimmung des Inklusionsamts. Und dann wird es manchmal mit der 2-Wochen-Frist schwierig. Denn Ihr Dienstherr muss zunächst die Beweise für das Fehlverhalten sichern, bevor er die Zustimmung des Inklusionsamts zur Kündigung einholt. Das ist wichtig, weil das Inklusionsamt die Kündigung nur genehmigt, wenn der Dienstherr den Sachverhalt nachvollziehbar darlegen kann. Die Frist von 2 Wochen für eine außerordentliche Kündigung beginnt, sobald der Dienstherr von den maßgeblichen Tatsachen Kenntnis hat.

Die Hemmung der Frist

Allerdings wird die Frist durch das Verfahren beim Integrationsamt gehemmt. So läuft das Verfahren ab:

  1. Beweissicherung: Der Dienstherrr muss zunächst alle relevanten Beweise sichern, bevor er das Integrationsamt einschaltet. Das darf aber nicht zu Verzögerungen führen.
  2. Antrag beim Integrationsamt: Die 2-Wochen-Frist läuft nicht, solange das Integrationsamt über den Antrag entscheidet. Sie beginnt erst neu, wenn die Zustimmung des Integrationsamts vorliegt.
  3. Kündigung nach Zustimmung: Sobald das Integrationsamt die Zustimmung erteilt, muss der Dienstherr die Kündigung innerhalb von 2 Wochen aussprechen und natürlich Sie als Personalrat sowie auch die Schwerbehindertenvertretung zuvor anhören.

Falls die 2-Wochen-Frist schon abgelaufen ist, könnte eine außerordentliche Kündigung unwirksam sein, aber eine ordentliche Kündigung könnte unter Umständen noch möglich sein. Wichtig ist, dass der Dienstherr schnell handelt und den Antrag beim Integrationsamt rechtzeitig stellt.

Der Fall: Eine schwerbehinderte Verwaltungsangestellte stand im Verdacht, von einer Kollegin im April 2019 verlangt zu haben, eine Verwarnung ihrer Tochter wegen eines Parkverstoßes annullieren zu lassen und sie selbst nicht bei Parkverstößen zu verwarnen. Hierzu soll sie vorab mitgeteilt haben, wann sie wo im Stadtgebiet parke. Nach Kenntnis des Vorfalls stellte der Dienstherr umfangreiche Ermittlungen an und prüfte, wie viele und welche Verwarnungen in den Jahren 2012 bis 2019 annulliert wurden, um eventuelle Muster bei den Annullierungen aufzudecken.

Am 18.11.2019 beantragte er dann endlich beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung der städtischen Beschäftigten, die der LWL jedoch verweigerte. Der Antrag sei nicht innerhalb der gesetzlichen Frist von 2 Wochen ab Kenntniserlangung von den für die Kündigung maßgeblichen Tatsachen erfolgt. Dagegen klagte die Behörde.

Zustimmung ist zu erteilen

Das Urteil: Das VG verpflichtete den LWL, die Zustimmung zu erteilen: Begründung: Die Ermittlungen zur Sachverhaltsaufklärung haben die Frist für den Antrag auf Zustimmung gehemmt.

Diese Ermittlung dauerte rund 2,5 Monate. Die ermittelten 2.781 annullierten Verwarnungen in 8 Jahren hatte die Stadt ohne feststellbare Verzögerungen untersucht. Dass sich der Dienstherr irgendwann nur noch auf die in Verdacht geratene Beschäftigte konzentrierte, anstatt die erhebliche Dimension der Annullierungen weiter aufzuklären, sei vertretbar.

Zwischen frühester sicherer und möglichst vollständiger Kenntniserlangung der aus Sicht des Dienstherrn zur Kündigung berechtigenden Umstände sowie dem Antrag auf Zustimmung lagen keine 2 Wochen.

Kündigung nicht wegen der Schwerbehinderung

Der geltend gemachte Kündigungsgrund steht zur Überzeugung des Gerichts auch nicht im Zusammenhang mit der Behinderung der Beschäftigten.

Info: Berufung möglich

Die Arbeitnehmerin kann noch vor dem Oberverwaltungsgericht die Zulassung der Berufung beantragen. Vieles spricht jedoch dafür, dass das Urteil richtig ist. Klar ist aber auch, dass es hier „nur“ um die Erteilung der Zustimmung zur Kündigung ging bzw. geht. Wird diese Zustimmung ausgesprochen, kann die Arbeitnehmerin noch immer vor dem Arbeitsgericht eine Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung einlegen. Dabei wird natürlich auch dann geprüft, ob Sie als Personalrat ordnungsgemäß beteiligt wurden.

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Ich habe Rechtswissenschaften in München studiert und bin seit 2004 als Rechtsanwältin zugelassen. Von 2004 bis 2017 war ich Partnerin der Kanzlei Löffler & Partner in München. Seit 2017 bin […]

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